Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 22.12. 2020 – 7B 11/20 – ein beachtenswertes, zukunftsweisendes und grundsätzliches Urteil – gefällt, mit dem einem Jagdausübungsberechtigten mit sofortiger Wirkung der Jagdschein entzogen wurde, weil er als Jagdleiter nach einer Drückjagd unbrauchbare Jagdhunde für die Nachsuche auf krankes Wild eingesetzt hat. Das Hirschmannmitglied und in Schleswig-Holstein anerkannter Nachsuchenführer, Rechtsanwalt Friedrich Fülscher, hat für uns das Urteil gelesen und berichtet dazu:
„Aus der täglichen Praxis als anerkanntes Nachsuchengespann, bemerke ich seit etwa zwei Jahren wieder eine Trendwende, was das tierschutzgerechte Nachsuchen verletzten Schalenwildes angeht. Meinte ich noch vor einigen Jahren eine deutliche Sensibilisierung für das Thema innerhalb der Jägerschaft zu verspüren, erlebe ich heute wieder Altbekanntes: Jeder probiert erstmal selber mit ungeübten oder gar ungeprüften Hunden auf der Wundfährte sein Glück. Ein Fall aus Ostholstein hat nun das Verwaltungsgericht in Schleswig beschäftigt , welches zu einer bemerkenswerten Entscheidung kam.
Hier also zunächst der Sachverhalt: Im Kern des Falles stand eine Ansitz-Drückjagd bei der B. Jagdleiter war. Nach deren Ende wurde ihm bekannt, dass zwei Stück Schwarzwild krankgeschossen worden waren und ins Nachbarrevier überwechselten. Statt mittags unverzüglich eine fachgerechte Nachsuche zu organisieren, passierte dahingehend erst mal – nichts. Am nächsten Tag versuchte sich der B. – wohl auf Druck durch andere Jagdteilnehmer- an einer Nachsuche mit seiner KIM-Hündin. Diese „Nachsuche“ blieb aus einer Reihe von Gründen erfolglos. Die junge Hündin hatte keine erforderliche Prüfung, um als „brauchbarer Jagdhund“ nach den Bestimmungen des Landesjagdgesetzes zu gelten. Das kranke Stück war auch in das Nachbarrevier gewechselt, mit dem Jagdleiter B. keine Wildfolge vereinbart hatte, und deren Revierinhaber auch nicht vom notwendigen Nachsuchen informiert worden war. Stattdessen meinte der B., mit seiner unbrauchbaren Hündin einfach das Revier des Nachbarn „überspringen“ zu können und an der nächsten Reviergrenze eine sogenannte Vorsuche machen zu können. Ein Vorgehen, welches nicht nur unfachmännisch, sondern zudem auch von Vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen ist. So etwas gelingt höchstens mit alten und erfahrenen Schweisshunden. Als die betroffenen Reviernachbarn von diesem Vorfall Kenntnis bekamen, kontaktierten diese zunächst mich. Da ich bereits mit Nachsuchen „voll“ war und die Fährte bereits fast 30 Stunden stand, kontaktieren die Jäger ein anerkanntes Nachsuchengespann aus Ostholstein. Diesem gelang es leider weder die laufkranke noch die waidwunde Sau mit seinem HS zu finden. Ein Umstand, der dem B. im Strafverfahren wegen Verstosses gegen das Tierschutzgesetz den Allerwertesten gerettet hat. Die laufkranke Sau wurde erst am Folgetag unweit des Anschusses erlegt , als die Jagdnachbarn einen letzten Versuch unternahmen und mit einem Drahthaar die angrenzenden Knicks absuchten. Die waidwunde Sau konnte nicht gefunden werden. Die UJB hat dem B. nach Kenntnis dieses Vorfalles den Jagdschein entzogen. Zu Recht wie das Verwaltungsgericht im Eilverfahren nun festgestellt hat: Das Gericht stellte klar , dass die gesamte Drückjagd, für die B. als Jagdleiter verantwortlich war, ohne die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl an Nachsuchenführern mit ihren geprüften Hunden, gar nicht erst hätte stattfinden dürfen. Und spätestens nach dem Ende der Jagd hätte B. unverzüglich ein anerkanntes Nachsuchengespann (für den Folgetag) organisieren müssen. Tatsächlich waren neben der jungen Hündin des Jagdleiters am Jagdtag aber nur ein – nach rechtlichen Maßstäben – unbrauchbarer Labrador, ein unbrauchbarer Jack-Russel Terrier und ein unbrauchbarer KIM Rüde dabei. Die Ausführungen, die B. in dem Verfahren hat vortragen lassen, schlagen dem Fass tatsächlich des Boden aus: B. gab an, dass er seine, nicht über die erforderliche Prüfung verfügende Hündin, auch schon früher bei schwierigen Nachsuchen eingesetzt und dies auch nach dem Vorfall mehrfach getan hatte. Aus anwaltlicher Sicht muss ich sagen: schlechter hätte man nicht vortragen können. So sah es dann auch das Verwaltungsgericht, indem es ausführte: „Zu Recht geht der Antragsgegner auch von einem wiederholten Verstoß aus, denn der Antragsteller hat eingeräumt, dass er auch bei anderen erforderlichen – schwierigen – Nachsuchen, sowohl vor dem hier streitgegenständlichen Vorfall als auch danach, insbesondere für die Nachsuche auf Schalenwild, keinen für die Nachsuche nach § 27 Abs. 1 LJagdG brauchbaren Jagdhund eingesetzt hat, sondern solche Nachsuchen mit seiner Kleinen Münsterländerhündin vorgenommen hat (…)“ Die in der BPO vorgeschriebenen Prüfungen machen eben aus einem Jagdhund einen „brauchbaren“ Jagdhund im Sinne des Gesetzes und nicht der angebliche Einsatz im Jagdgebrauch. Das öffentliche Interesse an der Ahndung von schwerwiegenden und tierschutzrelevanten Verstößen und damit dem sofortigen Entzug des Jagdscheins und der Waffenbesitzkarte, ist höher einzustufen als das private Interesse eines Jägers erst einmal den Abschluss eines Hauptsacheverfahrens über mehrere Instanzen hinweg abzuwarten. Und schließlich ist es nicht ausschlaggebend, ob ein Jäger in einem Strafverfahren rechtskräftig verurteilt wurde, ja nicht mal, ob er tatsächlich im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld zahlen musste. Entscheidend ist, so das Gericht, ob ein Jäger „gröblich“ oder wiederholt gegen die „allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Jagdgerechtigkeit“ verstößt. Damit ist dem schludrigen Gewohnheitsrecht, wie es sich immer weiter breit zu machen scheint, vom VG SchleswigHolstein ganz deutlich Einhalt geboten worden. Einerseits führt das Gericht aus, dass es im öffentlichen Interesse ist, Personen die Jagdausübung zu verbieten, wenn sie „den Geboten des Tierschutzes und der Wildhege“ zuwiderhandeln. Das ist bei der schlampig organisierten Drückjagd ohne Vorsorge zur sachgemäßen Nachsuche, eindeutig der Fall gewesen. Und andererseits stellt das Gericht klar: Wer immer wieder und „gröblich“ gegen die „Regeln über die Ausübung der Jagd, zum Schutz des Wildes und der Natur und zur Erhaltung und Fortentwicklung des Wildes“ (so die Definition der Grundsätze der Weidgerechtigkeit) verstößt, verfügt auch nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Auch nicht sanktionierte Rechtsverletzungen auf dem Gebiet des Jagdgesetzes tragen so zur Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit bei. Ungeachtet dessen hat das Verhalten des B. auch einen Ordnungswidrigkeiten Tatbestand erfüllt, der mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 € geahndet werden kann. Hätte das anerkannte Nachsuchengespann am Folgetag das laufkranke und damit noch lebende Stück Schwarzwild gefunden, hätte B. sich eventuell auch noch vor dem Strafrichter verantworten müssen. Da dies nicht der Fall war, musste die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, da nicht sicher feststellbar ist, ob das Unterlassen des gebotenen Verhaltens (Nachsuchenführer verständigen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Leid des Stückes verkürzt hätte.“
Rechtsanwalt Friedrich Fülscher